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Am 31. Oktober feiern evangelische Christen das Fest der Reformation, für sie untrennbar mit dem Namen Martin Luther verbunden. Eines der Möglichkeiten, wie Luther seine Ideen unters Volk brachte, waren Flugschriften, heute würden wir Flyer dazu sagen, und vor allem Briefe. Er hat unzählige davon verfasst. In einem  -allerdings fiktiven-  Brief schreibt er an seinen Sohn Hans...

Lieber Hans,

es ist Herbst geworden. Vielleicht war das neulich der letzte Geburtstag, den ich erleben durfte. Es macht mich sehr glücklich, dass wir alle zusammen waren und gesungen und musiziert haben. „Ein feste Burg ist unser Gott“ – das klingt noch in meinen Ohren. Ich finde, das ist eines der besten Lieder, die ich gedichtet habe. Ich habe viel erlebt!

Von meiner Arbeit hast Du erfahren, wie ich die Bibel übersetzte und versuchte, die Kirche zu erneuern. Manches habe ich gut gemacht und auf manches bin ich nicht stolz. Manches belastet mich auch und hat mich erschreckt. Mit welcher Gewalt Menschen aufeinander losgegangen sind zum Beispiel. Das wollte ich nie provozieren. Mir ging es immer um das Verhältnis der Menschen zu Gott.

So habe ich angefangen, die Heilige Schrift zu studieren. Da las ich, dass Gott uns Menschen liebt wie ein Vater seine Kinder. Ich verstehe das jetzt noch besser, da ich selbst Vater bin. Kinder machen nicht immer alles richtig. Manchmal entfernt man sich ziemlich voneinander aber die Liebe bleibt und die Hoffnung, sich wiederzufinden. Das ist dann ein Fest! So ist das bei Gott: Er will, dass du zurückkommst. Er ist ein Backofen voller Liebe und gibt dich niemals auf.

Meine Freude über diese Entdeckung war riesig. Und damit auch mein Zorn. Warum predigte das die Kirche nicht?

Die Leute der Kirche nahmen von den Verängstigten viel Geld und versprachen alles Mögliche. Dabei schenkt Gott uns doch alles umsonst. Ich war froh, dass ich Latein gelernt hatte. Ich schrieb 95 Thesen als Gegenrede, die ich überall herumschickte. Ich nagelte sie sogar an die Tür unserer Schloßkirche. Das machten alle Professoren so, wenn sie in einen öffentlichen Dialog treten wollten. Alle sollten lesen, was ich herausgefunden hatte und sie sollten mitreden.

Viele fanden meine Ideen gut, der Kaiser und der Papst allerdings nicht. Sie fürchteten um ihre Macht. Sie wollten, dass ich meinen Mund halte. Aber ich schrieb weiter, übersetzte die Bibel ins Deutsche und dichtete Lieder. Und ich predigte sooft ich konnte. Viele sollten erfahren, dass Gott kein gnadenloser Despot ist, sondern ein großer Liebender.

In Liebe, Dein Vater Martin

Impuls von Pfarrerin und Seelsorgerin Veronika Haufe-Rush

                                                                                                             

 

Die Kirche der Diakonie Kliniken ZschadraßKlinik-Kirche in Zschadraß © Thomas Kube